Bundesgerichtshof, Az.: V ZB 43/15, Beschluss vom 21.01.2016
Leitsatz: Das Erlöschen eines für den ersten Verkaufsfall bestellten und nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden dinglichen Vorkaufsrechts für einen Miteigentümer an dem Miteigentumsanteil des anderen Miteigentümers kann dem Grundbuchamt nicht durch den Zuschlagsbeschluss nachgewiesen werden, durch den der verpflichtete Miteigentümer das Grundstück in dem Zwangsversteigerungsverfahren zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft erwirbt.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2016 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. März 2015 aufgehoben. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Siegburg vom 27. November 2014 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 7.400 €.
Gründe:
I. Eingetragene Eigentümerinnen der im Eingang dieses Beschlusses genannten Grundstücke waren die Beteiligte zu 1 zu 5/8 und die Beteiligte zu 2 zu 3/8, die Schwestern sind. Auf den Miteigentumsanteilen war jeweils zu Gunsten der anderen Miteigentümerin ein vererbliches und nicht übertragbares Vorkaufsrecht auf den ersten Verkaufsfall im Grundbuch eingetragen. In dem auf Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft gerichteten Teilungsversteigerungsverfahren blieb die Beteiligte zu 1 Meistbietende. Ihr wurde das Grundstück zugeschlagen. Das zu Gunsten der Beteiligten zu 2 eingetragene Vorkaufsrecht blieb nach den Versteigerungsbedingungen bestehen. Die Beteiligte zu 1 wurde als Eigentümerin der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 8. September 2014 übersandte der Notar einen von ihm beglaubigten Antrag der Beteiligten zu 1 auf Löschung des Vorkaufsrechts der Beteiligten zu 2. Das Grundbuchamt machte die Löschung von der Vorlage der Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2 abhängig. Dazu nahm der Notar unter Beifügung eines Schreibens der Beteiligten zu 1 Stellung. Das Grundbuchamt wies den Löschungsantrag zurück. Auf die von dem Notar eingelegte Beschwerde hat das Oberlandesgericht den Beschluss aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, das für die Beteiligte zu 2 eingetragene Vorkaufsrecht zu löschen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte zu 2 die Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichts und die Zurückweisung der Beschwerde erreichen.
II. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u. a. in RNotZ 2015, 292 veröffentlicht ist, meint, das Grundbuch sei unrichtig und die Unrichtigkeit sei in einer den Anforderungen der § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1 GBO genügenden Weise nachgewiesen. Das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 2 sei durch das von der Beteiligten zu 1 betriebene Zwangsversteigerungsverfahren und den dort zu ihren Gunsten erteilten Zuschlag erloschen.
III. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung in dem angefochtenen Beschluss statthaft (§ 70 Abs. 1 und 2 FamFG i. V. m. § 78 Abs. 1 und 2 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 GBO i. V. m. § 71 FamFG). Sie ist begründet.
1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war die Erstbeschwerde allerdings zulässig. Der beurkundende Notar hat nicht in eigenem Namen, was mangels Beschwerdebefugnis unzulässig wäre (BayOblG, NJW-RR 1989, 1495; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 15 Rn. 20), sondern für die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Er hat dies zwar nicht ausdrücklich erklärt. Er ist jedoch als Vertreter der Beteiligten zu 1 aufgetreten, indem er auf die Beanstandungen durch das Grundbuchamt hin Ausführungen gemacht hat, die auf den Vollzug des Löschungsantrags hinwirkten. Die Beteiligte zu 1 hat den Notar auch zur Einlegung der Beschwerde bevollmächtigt, indem sie diesem eine Stellungnahme übersandt hat mit der Bitte um Weiterleitung an das Grundbuchamt. Ob der Notar bereits die Löschung des Vorkaufsrechts nach § 15 Abs. 2 GBO in vermuteter Vollmacht für die Beteiligte zu 1 beantragt hatte und daher schon deswegen zur Beschwerdeeinlegung im Namen der Beteiligten zu 1 berechtigt war, kann dahin stehen.
2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Beteiligte zu 1 in einer den Anforderungen der § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO genügenden Weise das Erlöschen des zu Gunsten der Beteiligten zu 2 eingetragenen Vorkaufsrechts und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen hat.
a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung – auch die Eintragung einer Löschung (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19 Rn. 3) –, wenn der von der Eintragung Betroffene sie bewilligt. Betroffen von einer Eintragung und damit bewilligungsberechtigt ist derjenige, dessen grundbuchmäßiges Recht durch die vorzunehmende Eintragung rechtlich beeinträchtigt wird oder zumindest rechtlich nachteilig berührt werden kann (siehe nur Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 – V ZB 107/10, NJW-RR 2011, 19 Rn. 10 mwN). Danach muss die Beteiligte zu 2 als im Grundbuch eingetragene Vorkaufsberechtigte die Löschung des Rechts bewilligen. Sie hat jedoch keine Löschungsbewilligung erteilt.
b) Liegt eine Bewilligung nicht vor, ist eine berichtigende Eintragung im Grundbuch möglich, wenn die Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GBO). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und das Grundbuchverfahren zur Klärung von streitigen Tatsachen weder geeignet noch bestimmt ist (BayOblG, Rpfleger 1982, 468; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 369; Bauer/v. Oefele/Kohler, GBO, 3. Aufl., § 22 Rn. 171; Hügel/Holzer, GBO, 3. Aufl., § 22 Rn. 59). Es sind alle Möglichkeiten, bis auf ganz entfernte, auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten berichtigenden Eintragung entgegenstehen können. Der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit ist nach § 29 Abs. 1 GBO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zu führen (Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2013 – V ZB 209/12, NJW 2014, 1593 Rn. 13).
c) Nach diesen Maßstäben ist der Unrichtigkeitsnachweis nach § 22, § 29 Abs. 1 GBO hier nicht geführt. Das Erlöschen eines für den ersten Verkaufsfall bestellten und nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden dinglichen Vorkaufsrechts für einen Miteigentümer an dem Miteigentumsanteil des anderen Miteigentümers kann dem Grundbuchamt nicht durch den Zuschlagsbeschluss nachgewiesen werden, durch den der verpflichtete Miteigentümer das Grundstück in einem Zwangsversteigerungsverfahren zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft erwirbt.
aa) Allerdings beschränkt sich das nur für den ersten Verkaufsfall bestellte dingliche Vorkaufsrecht (§ 1097 BGB) auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, dem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört. Es erlischt daher, wenn das belastete Grundstück auf andere Weise als durch Verkauf in das Eigentum eines Sonderrechtsnachfolgers des Verpflichteten übergeht, da dann ein Verkauf durch den Eigentümer im Sinne des § 1097 BGB nicht mehr gegeben sein kann (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1432a; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 22 Rn. 18; Haegele, Rpfleger 1957, 330; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1097 Rn. 5; Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1097 Rn. 14). Nach diesen Grundsätzen erlischt das Vorkaufsrecht z. B. bei einer Veräußerung des Grundstücks mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht (§ 470, § 1098 Abs. 1 BGB; OLG Stuttgart, DNotZ 1998, 305, 307; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2000, 94; OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 57, 58) oder bei einem Erwerb im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 471, § 1098 Abs. 1 BGB; vgl. OLG Zweibrücken, FGPrax 2011, 177).
bb) Ein Eigentumsübergang, der notwendigerweise zum Erlöschen des Vorkaufsrechts führt, ist hier aber nicht gegeben.
(1) Verpflichtet aus dem Vorkaufsrecht, das gelöscht werden soll, ist die Beteiligte zu 1. Sie ist infolge des Zuschlags Eigentümerin des Grundstücks und damit auch des belasteten Miteigentumsanteils, so dass ein Verkauf durch den Eigentümer, dem der Miteigentumsanteil zur Zeit der Bestellung des Vorkaufsrechts gehörte (hier die Beteiligte zu 1), noch möglich ist.
(2) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Erwerber in der Teilungsversteigerung das Eigentum mit dem Zuschlag als rechtsgestaltenden Hoheitsakt originär erwirbt (§ 90 Abs. 1, § 180 Abs. 1 ZVG). Ein Erlöschen des Vorkaufsrechts folgt hieraus nicht. Denn ein Erwerb in der Teilungsversteigerung steht einem freihändigen Kauf gleich (zu §§ 504, 512 BGB a. F.: Senat, Urteil vom 23. April 1954 – V ZR 145/52, BGHZ 13, 133, 136; Urteil vom 28. April 1967 – V ZR 163/65, BGHZ 48, 1, 4; vgl. Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 180 Rn. 139; MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl., § 471 Rn. 4; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1411; Staudinger/Schermaier, BGB2013, § 471 Rn. 6).
Die Beteiligte zu 1 ist somit in Bezug auf das Vorkaufsrecht so zu behandeln, als ob sie den belasteten Miteigentumsanteil gekauft hätte. Ein freihändiger Kauf durch die Beteilige zu 1 hätte den Vorkaufsfall aber nur dann ausgelöst, wenn sie als Dritte im Sinne des § 463 BGB zu behandeln wäre. Ist die Beteiligte zu 1 hingegen nicht Dritte, ist der Kauf nicht als Vorkaufsfall zu bewerten mit der Folge, dass das gemäß § 1097 BGB nur für den ersten Verkaufsfall bestellte Vorkaufsrecht nicht erlischt. Der Begriff des Dritten ist aus den materiellrechtlichen Umständen zu ermitteln (vgl. Senat, Urteil vom 23. April 1954 – V ZR 145/52, BGHZ 13, 133, 141). Das ist nicht Aufgabe des Grundbuchamts, sondern dem Prozessgericht vorbehalten.
(3) Nichts anderes folgt aus den Urteilen des Senats vom 23. April 1954 (V ZR 145/52, BGHZ 13, 133) und vom 28. April 1967 (V ZR 163/65, BGHZ 48, 1).
a) In der ersten Entscheidung hat der Senat zunächst ausgeführt, dass kein Kaufvertrag mit einem Dritten vorliegt, wenn ein ideeller Bruchteil eines gemeinschaftlichen Gegenstands an einen der übrigen Gemeinschafter verkauft wird (Senat, Urteil vom 23. April 1954 – V ZR 145/52, BGHZ 13, 133, 139).
Demgemäß löst die Teilungsversteigerung eines im Bruchteilseigentum stehenden, mit einem Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks den Vorkaufsfall nicht aus, wenn der Zuschlag einem Miteigentümer erteilt wird. Auch das nur für einen Verkaufsfall bestellte dingliche Vorkaufsrecht erlischt in diesem Fall nicht (vgl. Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1095 Rn. 7).
Soweit nur ein einzelner Bruchteil dem Vorkaufsrecht unterliegt (§ 1095 BGB), hat der Senat zwar angenommen, dass die Eigentümer der anderen, nicht belasteten Bruchteile im Verhältnis zum Eigentümer des belasteten Bruchteils als „Dritte“ anzusehen sind (Senat, Urteil vom 23. April 1954 – V ZR 145/52, aaO, S. 140 zu 5.). Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Teilungsversteigerung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks den Vorkaufsfall stets auslöst, wenn ein Vorkaufsrecht im Sinne des § 1095 BGB besteht und ein Miteigentümer den Zuschlag erhält. Denn bei der dargestellten Abgrenzung zwischen Mitberechtigten der Gemeinschaft und Dritten im Sinne des § 463 BGB handelt es sich nur um eine Faustregel (so zutreffend Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1095 Rn. 7; siehe auch Senat, Urteil vom 23. April 1954 – V ZR 145/52, BGHZ 13, 133, 141 zu 5. aE). Gerade bei wechselseitig eingeräumten Vorkaufsrechten, wie sie hier gegeben sind, kann sich aus dem Schutzzweck des Vorkaufsrechts etwas anderes ergeben (vgl. Staudinger/Schermaier, aaO; jurisPK-BGB/Alpmann, 7. Aufl., § 1095 Rn. 9; vgl. auch Gutachten DNotI-Report 2000, 21, 22). Das ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese kann nicht von dem Grundbuchamt und damit auch nicht von dem (Rechts-) Beschwerdegericht vorgenommen werden.
b) Auch aus der Entscheidung vom 28. April 1967 lässt sich nicht entnehmen, dass das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 2 erloschen ist. Darin hat der Senat für ein auf einen Miteigentumsanteil beschränktes dingliches Vorkaufsrecht angenommen, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden kann, wenn bei der Teilungsversteigerung ein Miteigentümer, dessen eigener bisheriger Anteil nicht dem Vorkaufsrecht unterliegt, das gesamte Grundstück ersteigert. Dies hat er damit begründet, dass andernfalls die Aufhebung der Gemeinschaft unmöglich wäre und praktisch für alle Zeiten ausgeschlossen bliebe (BGHZ 48, 1, 5; zustimmend Bauer/v. Oefele/Kohler, GBO, 3. Aufl., AT III Rn. 145; BGB-RGRK/Rothe, 12. Aufl., § 1095 Rn. 4; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 180 Rn. 140; MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl., § 463 Rn. 26; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 1411; Staudinger/Schermaier, BGB [2009], § 1095 Rn. 8; aA Schurig, Das Vorkaufsrecht im Privatrecht, 1975, 162 ff.).
Folge dessen ist jedoch nicht das Erlöschen des Vorkaufsrechts; vielmehr bleibt es in solchen Fällen bei dem Grundsatz des § 471 BGB, wonach das Vorkaufsrecht bei einem Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung nicht ausgeübt werden kann (Senat, Urteil vom 28. April 1967 – V ZR 163/65, BGHZ 48, 1, 5 für § 512 BGB aF). Nach diesen Grundsätzen hätte die Teilungsversteigerung den Vorkaufsfall nicht ausgelöst; folglich kann auch das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 2 bestehen geblieben sein.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO). Das Grundbuch ist hinsichtlich des Vorkaufsrechts für die Beteiligte zu 1 aus den oben angestellten Erwägungen nicht offenkundig unrichtig (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GBO).
IV. Eine Entscheidung über die Verpflichtung zum Tragen der Gerichtskosten ist nicht veranlasst (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Von der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten hat der Senat abgesehen (§ 81 FamFG).
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 51 Abs. 1 GNotKG, § 3 ZPO. Das mit dem Rechtsmittel verfolgte wirtschaftliche Interesse an der Löschung des Vorkaufsrechts nimmt der Senat mit 1/10 des hälftigen Grundstückswerts an.