Das Schild: „Hier gilt die StVO!“ kennt wohl jeder Autofahrer. Man findet es auf öffentlichen oder privaten Parkplätzen, in Parkhäusern und überall sonst, wo jemand meint, dass dort die Straßenverkehrsordnung gelten solle.
Aber stimmen die Schilder auch? Kann man wirklich belangt werden, wenn man sich nicht an das Schild hält? Oder darf man sich darauf verlassen, dass andere Fahrer die Regel StVO einhalten?
In vielen Fällen keineswegs. Denn die Straßenverkehrsordnung gilt nur dort, wo öffentlicher Verkehr stattfindet. Das kann zwar auch auf Privatgrundstücken der Fall sein, aber nur dann, wenn sie für den allgemeinen Straßenverkehr offen stehen. Das gilt beispielsweise für Supermarktparkplätze. Denn hier darf jeder beliebige Kunde parken.
Es geht aber zum Beispiel nicht für abgesperrte Parkplätze von Firmen oder Vereinen. Hier parken nur die Angestellten beziehungsweise die Vereinsmitglieder. Unmittelbar gilt die Straßenverkehrsordnung dort deshalb nicht. Ein Firmeninhaber oder ein Vereinsvorstand können auch nicht einfach Schilder aufstellen und bestimmen, dass die StVO nun auf ihren Grundstücken gelten solle. Nur der Staat selbst kann den räumlichen Geltungsbereich seiner Gesetze festlegen. Und auf nicht öffentlichen Parkplätzen gilt die Straßenverkehrsordnung nun einmal nicht, ganz egal, wie viele Schilder das Gegenteil behaupten. Jedem Grundstücksbesitzer steht es jedoch frei, sich eigene Regeln zur Benutzung seines Parkplatzes zu überlegen und sie jedem vorzuschreiben, der den Parkplatz benutzen will. Parkwillige haben dann nur die Wahl, diese Regeln entweder zu akzeptieren oder umzukehren und wo anders zu parken. Welche Regeln der Parkplatzbetreiber wählt, ist dabei grundsätzlich ihm überlassen.
Wenn er will, kann er auf seinem Parkplatz auch den aus England bekannten Linksverkehr einführen. Natürlich hat er auch die Möglichkeit Regeln festzulegen, die ganz oder teilweise den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung entsprechen. Dies kann durch das bekannte Schild „Hier gilt die StVO!“ geschehen. Aber wie gesagt: die StVO gilt dann nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar.
Diese Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Anwendbarkeit der StVO ist keineswegs spitzfindig, sondern hat große praktische Bedeutung. Ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung kann durch Polizisten oder Politessen nämlich nur dann geahndet werden, wenn die StVO unmittelbar gilt. Auf öffentlichen Supermarktparkplätzen ist das der Fall. Wer dagegen einen Arbeitskollegen auf dem abgesperrten Parkplatz die Vorfahrt nimmt, braucht nicht zu fürchten, dass er deswegen Punkte in Flensburg kassiert. Er hat keine Ordnungswidrigkeit begangen. Übrigens muss er auch nicht unbedingt den gesamten Schaden ersetzen, den er am Auto des Kollegen angerichtet hat. Dieser durfte nämlich nicht blind darauf vertrauen, dass sich der Unfallverursacher an die rechts vor links Regel der StVO hält. Das Landesarbeitsgericht Bremen stellte in einem solchen Fall klar, dass ein vorfahrtsberechtigter Unfallbeteiligter die Hälfte seines Schadens selbst zahlen musste. Wegen der auf einem Parkplatz typischen Verhältnisse (schmale Fahrspuren, unübersichtlichen Kreuzungen, unklare Fahrbahnlinien) habe er von vornherein damit rechnen müssen, dass seine Vorfahrt von seinem Kollegen missachtet wird. Er hätte also abbremsen müssen und nicht auf sein Recht pochen dürfen.
Man kann sich daher merken: das Schild „Hier gilt die StVO!“ ist mit größter Vorsicht zu genießen. Sich auf seine Geltung zu verlassen, kann riskant sein.